Es war mitten in der Nacht als ein Wagen allein über den dunklen Highway raste. Am Steuer eine junge Frau, Tränen liefen ihr über die Wangen. "Verdammt! Verdammt!! Verdammt!!!" Wütend schlug sie mit der Hand aufs Lenkrad, ehe sie abstoppte und hektisch nach hinten zur Rückbank und dem kleinen Jungen der dort schlief sah. Ein Glück, er war nicht wach geworden. "Ruhig bleiben Amber, du musst ruhig bleiben", ermahnte sie sich selbst und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Wann verdammt war alles so schief gegangen? Warum hatte sie die Anzeichen nicht schon früher bemerkt. Während der Wagen weiter durch die Dunkelheit raste ließ sie die letzten Tage, Wochen und Monate nochmal vor ihrem inneren Auge Revue passieren.
Seit sie zurückdenken konnte lebte sie mit ihrer Mom in dieser kleinen Stadt nahe bei New York. An ihren Dad konnte sich Amber kaum noch erinnern. Er war Mitglied des SWAT des LAPD und als er sich weigerte diesen Job für eine ruhigeren, weniger gefährlichen Job aufzugeben, zog Ambers Mutter die Konsequenzen. Sie verließ ihn. Zwar schickte ihr Vater ihnen regelmäßig Geld und Amber zum Geburtstag und Weihnachten kleine Geschenke, doch mehr Kontakt ließ ihre Mutter nicht zu. Sie wollte nicht das ihre Tochter ebensolche Angst um ihren Dad ausstand wie sie es einst tat.
Ihre Mom arbeitete halbtags in einem Blumenladen. Viel Geld besaßen sie nicht, doch es reichte zum Leben und Ambers Mutter sorgte dafür das es ihr an nichts fehlte. Sie besaßen sogar ein kleines Haus, das ihnen aber Ambers Dad finanzierte wie sie später erfuhr. Leider verstarb ihre Mutter schon früh an Krebs, da war Amber gerade 18 und stand so ganz alleine da. Aus den Unterlagen ihrer Mutter erfuhr Amber wo ihr Dad lebte und nahm Kontakt zu ihm auf. Ab da telefonierten sie regelmäßig mit einander. Zwar bot er ihr auch an zu ihm zu kommen, doch Amber wollte dort bleiben wo sie zu Hause war und Freunde hatte.
Um ihren Lebensunterhalt und ihr Jura Studium zu finanzieren jobbte Amber jeden Abend in einer Bar. Dort lernte sie mit gerade 21 Jahren auch den zehn Jahre älteren Steve kennen. Er war Cop und ihr von Anfang an gleich sympathisch. Sie gingen ein paar Mal aus und aus gegenseitiger Zuneigung wurde schnell Liebe. So verwunderte es niemanden das bei den Beiden schon nach wenigen Monaten die Hochzeitsglocken läuteten. Danach dauerte es auch nicht lange bis sich der erste Nachwuchs ankündigte und Amber ihren gemeinsam Sohn Nick zur Welt brachte. Amber vergötterte den Kleinen und sie und Steven galten überall als das absolute Traumpaar. Schon kurz nach Nicks Geburt wurde Steven zum Dezernat für Bandenkriminalität wo er Undercover tätig war. Für Amber die ihr Studium aufgegeben hatte um sich voll und ganz um den kleinen Nick zu kümmern, eine schwere Zeit denn oft waren sie über Wochen und Monate alleine. Doch wenn Steven zu Hause war, war er stehts ein liebevoller Vater und Ehemann. Dann war Amber glücklich. Sie dachte das dieses Glück nie enden würde.
Bis zu jener Nacht in der Jemand wie wild an ihre Tür klopfte. Nick war damals vier Jahre alt. Als sie schlaftrunken die Tür öffnete standen Beamte aus dem Dezernat ihres Mannes und weitere Polizisten vor ihrer Tür. Sie waren auf der Suche nach Steve. Während die übrigen Beamten ihr Haus auf den Kopf stellten und eine Frau von der Führsorge Nick mit sich nahm, wurde Amber verhaftet. Auf dem Revier erfuhr sie dann was überhaupt los war. Steve war schon seit Monaten Undercover an einem großen Fisch, einem ortsansässigen MC dran. An diesem Abend sollte endlich der große Zugriff erfolgen. Doch stattdessen liefen die Beamten direkt in eine Falle. Viele von ihnen wurden verletzt, zwei an Ort und Stelle erschossen, ein weiterer erlag in der Nacht seinen Verletzungen. Steven hatte sie in diese Falle geführt und war nun verschwunden. Amber konnte und wollte es nicht glauben. Nicht Steve, nicht ihr wunderbarer und liebevoller Ehemann. Die Beamten verhörten Amber über Stunden, wollten wissen wo Steve sei und was sie über die Angelegenheit wusste. Erst in den frühen Morgenstunden ließ man sie mit ihrem Sohn nach Hause gehen. Man konnte ihr eine Beteiligung oder das sie überhaupt Kenntnis von der Sache hatte nicht nachweisen und auch bei ihr zu Hause fand man nichts das in diese Richtung deutete.
Doch kaum zu Hause angekommen wartete die nächste unangenehme Überraschung auf die junge Mutter. Vor ihrer Tür fingen zwei Mitglieder des MC sie ab. Sie wollten wissen wo Steve sei und nicht nur das, offenbar hatte er sie um eine Menge Geld betrogen. Doch Ambers Antwort war sie selbe wie zuvor. Sie wusste nicht wo Steve war oder von dem Geld. Die zwei Männer rieten ihr das sie besser ganz schnell ihren Mann und das Geld ausfindig machen sollte, ansonsten würde der nächste Besuch unangenehm werden. Um ihre Drohung zu unterstreichen zerstachen sie noch alle vier Reifen an Ambers Wagen ehe sie auf ihren Motorrädern davon fuhren. Völlig verstört und verängstigt eilte Amber mit ihrem Sohn ins Haus. Was war hier los und wo war Steve.
Die nächsten Wochen vergingen ohne ein Lebenszeichen von Steve. Amber war außer sich vor Sorge und nicht nur das, sie lebte auch in ständiger Angst. Eines Morgens wäre sie beinahe von einem Auto überfahren worden als sie den Müll raus brachte. Sie konnte sich nur in letzter Sekunde mit einem Sprung in die Mülltonnen retten. Ein anderes Mal versagten die Bremsen ihres Wagens als sie auf dem Weg war ihren Sohn aus der Kita zu holen. Nur durch einen glücklichen Zufall kam sie dabei nicht zu Schaden und auch ihr Wagen trug nur eine Beule davon. Auf der Straße weiter oben blockierte ein LKW die Fahrbahn und so kamen alle nur im Schritttempo voran. In der Werkstatt stellte man später fest das jemand die Bremsschläuche durchschnitten hatte. Die Polizei ging davon aus das es das Werk des MC war, doch beweisen konnte man ihnen nichts.
Einige Tage schien wieder Ruhe einzukehren. Amber bemühte sich darum das Leben für Nick so normal wie möglich zu gestalten, auch wenn die Angst vor einem weiteren Anschlag und die Sorge um Steve sie innerlich völlig auffraßen. Ihr Sohn sollte von all dem nichts mitbekommen. Schlimm genug das sein Dad verschwunden und man derartige Vorwürfe gegen ihn erhob. So erlaubte sie ihm auch an einem Samstag bei einem Freund aus dem Kita zu übernachten.
Doch in der Nacht riss ein Anruf Amber aus ihrem unruhigen Schlaf. Es war die Mutter des Freundes von Nick. Nick habe einen Alptraum gehabt und wollte nun unbedingt nach Hause, ob Amber ihn abholen könnte. Sofort warf sie sich ein paar Sachen über und verließ das Haus. Ihr Wagen parkte zwar in der Einfahrt doch Amber hatte nicht das Geld ihn reparieren zu lassen. So musste sie zwei Straßen weiterlaufen zum Haus eines Freundes bei dem sie den Wagen ihrer Mutter untergestellt hatte um ihren Sohn abzuholen.
Nick schlief bereits wieder seelenruhig auf dem Rücksitz als Amber in die Straße zu ihrem Haus einbog. Schon von weitem sah sie die blauen Lichter und ein helles Feuer das die Nacht erhellte. Als sie näher kam erkannte sie das es von der Stelle kam wo ihr Haus stand. Überall war Feuerwehr und Polizei und als sie fassungslos aus dem Wagen stieg sah sie dort wo einst das Haus stand in dem sie schon mit ihrer Mutter gewohnt hatte, nur noch eine brennende Ruine. Einer der Feuerwehrleute kam auf sie zu, fragte ob noch wer im Haus gewesen sei. Amber konnte nur stumm mit dem Kopf schütteln. Am Rande bekam sie noch mit wie der Mann etwas von einer Gasexplosion sagte. Ambers Knie wurden weich. Ihr Sohn und sie hätten in dem Haus sein können.
Plötzlich riss sie das Klingeln ihres Handys aus den Gedanken. Es war wieder die Mutter von Nicks Freund. Sie war völlig aufgeregt und erkundigte sich immer wieder ob es Amber auch gut ginge. Dann berichtete sie ihr das kurz nachdem Amber Nick abgeholt hatte Ambers Mann Steve bei ihnen klingelte. Er wolle Nick abholen, ein schreckliches Unglück sei geschehen. Es habe eine Gasexplosion in ihrem Haus gegeben, Amber sei dabei ums Leben gekommen.
Ambers Gesicht wurde von einem Moment zum anderen Aschfahl. Woher wusste Steven das Nick bei seinem Freund war und woher von der Explosion? Er konnte es nur wissen wenn er sie am Nachmittag als die Eltern des Freundes Nick abholten in der Nähe war. Und von der Explosion konnte er nur wissen wenn er sie selbst gelegt hatte. Bisher vermutete die Feuerwehr nur das dies die Ursache war. Amber wurde schlecht. Sie hatte kein Licht in der Nacht angemacht als sie sich fertig machte und das Haus verließ, ihr eigener Wagen stand in der Auffahrt. Steve musste sich ins Haus und in den Keller geschlichen haben in der Annahme sie würde oben schlafen. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Auch all die anderen Anschläge fanden immer nur dann statt wenn Nick nicht bei ihr war. Es war Steve, es war die ganze Zeit über Steve gewesen.
Panik stieg in ihr hoch. Sie sprang ins Auto und fuhr los. Nur weg, weg sie mussten weg. Weg aus der Stadt so weit weg wie es nur irgendwie ging. Dahin wo Steve sie nicht finden konnte. Doch wohin sollten sie gehen? Der einzige Mensch der ihr einfiel und dem sie noch vertrauen konnte war ihr Dad. Und so rasten sie durch die Nacht ihrem Ziel entgegen, L.A. wo ihr Dad inzwischen im Ruhestand eine kleine Bar betrieb.